Juli 2013

Was ist

von Fabian Schwitter
Jahresthema: Wörter
Monatsthema: Leutselig, Verpflanzung, Bruch, Zweckmässigkeit, Unebenheit

Was ist, wenn zwei auf einem Sofa liegen? Und was ist, wenn sie ihn umarmt und er sie? Und was ist, wenn ich daneben sitze? – Um vier Uhr morgens bleibt die Musik im Hintergrund, wenn Weinflaschen nüchtern und leer auf dem Tisch stehen. – Was ist, wenn willige Hände ahnungslos wandern? Und was ist, wenn er beiläufig die Unebenheiten aus ihrem Kleid streicht? Und was ist, wenn sie durch seine Locken fährt? – Konturlos liegt die Nacht vor dem Fenster und wacht über Zonen der Unentschiedenheit. – Was ist, wenn sie sich bewegt? Und was ist, wenn er nicht mehr weiss, wo er seine Hände hinlegen soll? Und was ist wenn, er ihren Kopf sanft anhebt, um aufstehen zu können? – Manchmal zieht ein Schleier Zigarettenrauch durch das Blickfeld. – Was ist, wenn sie sich wieder näherkommen? Und was ist, wenn seine Hand auf ihrer Hüfte liegt? Und was ist, wenn sie sich an ihn schmiegt? – Im Schein alter Stehlampen tasten Fingerspitzen lichtlos unter Kleidern verborgenen Rückenwirbeln entlang. – Was ist, wenn Grenzen verschwimmen? Und was ist, wenn die Zeit zufällig hereinbricht? Und was ist, wenn der Ort doch bestimmend ist? – Jenseits aller Zweckmässigkeit sind die Bewegungen langsam und umständlich, weil in dieser Sache kein Wort mehr fällt. – Was ist, wenn kein Wort mehr fallen darf? Und was ist, wenn alles schon lange gesagt ist? Und was ist, wenn stillschweigend doch eine Welt gebaut wird? – Die Zeit zieht nicht vorbei, obwohl es sie braucht wie nie. – Was ist, wenn sie sich beide nicht mehr bewegen? Und was ist, wenn Blicke sich nicht kreuzen? Geht draussen die Sonne auf, wenn sie ihm etwas sagt? – Das Fenster teilt sich in einen bläulichen Himmel und eine schwarze Silhouette auf, so werden andere Sachen gefunden und das Gespräch setzt sich fort. – Was ist, wenn auf die Nacht der Tag folgt? Und was ist, wenn das ein Bruch ist? Ist sie nur leutselig, wenn sie mit ihm ist? – Die Verpflanzung aus dem Garten der selbstgenügsamen Worte kommt unvermeidlich. – Was ist, wenn die Welt wirklich wird? Und was ist, wenn sie doch noch sprechen? Braucht die Welt drei Blickwinkel, weil zwei ohne Worte können?